Reiseroute durch China – Detailkarte öffnet sich bei Klicken auf das Bild

Hallo,

nach einigen anstrengenden Wochen, die ich fast ausschließlich mit Radfahren, Schlafen und Essen verbringe, habe ich Bangkok schlussendlich aus eigener Kraft erreicht. Mit über 14.500 auf dem Rad zurückgelegten Kilometern beende ich diese Reise hier.

Erst hier in Bangkok ist es mir gelungen, meinen Laptop wieder in Stand zu setzen, eine neue Festplatte einzubauen und alle alten Daten wiederherzustellen. Seit meinem letzten Bericht über meinen Besuch in Tadschikistan ist sehr viel Zeit vergangen, aber trotzdem möchte ich versuchen über all die Geschehnisse und Erlebnisse in China, Laos und Thailand ausführlich zu berichten.
Ich blicke also zwei Monate zurück. Ich befinde mich an der tadschikischen Grenzstation auf dem Weg nach Kirgisien. Ausgediente Aufbauten alter Armeelastwagen, Container und Wellblechhütten bilden die Zoll- und Immigrationsstationen. Karge Berge, reichlich Schotter und Geröll umgeben mich. Es ist schon spät am Abend und daher recht kühl. Ich fürchte die Station habe bereits geschlossen und ich müsse mein Zelt hier aufschlagen, aber dann winkt mich doch noch ein Soldat heran und weißt mir den Weg in einen der Container. Ein kleiner Kohlenofen sorgt hier für wohlige Wärme. Unter spärlichem Licht blicken mir fünf verschlafene Soldatengesichter von einigen Doppelstockbetten entgegen. An einem winzigen Tisch trage ich mich mit Namen, Adresse und Passnummer in ein Logbuch ein. Nach einem kurzen Gespräch über Deutschland, Fußballspieler, die Weltmeisterschaft und meine Reisepläne begebe ich mich wieder nach draußen in die Kälte um am nächsten Container den Ausreisestempel zu erhalten. Erfreut über die schnelle unkomplizierte Abfertigung mache ich mich auf den Weg zur kirgisischen Grenzstation. Diese liegt einige Kilometer weiter hinter dem nächsten Gebirgspass. Bald wird es dunkel und so erklimme ich an diesem Tag nur noch den Pass, passiere die offiziellen Grenzsteine und schlage mein Zelt auf kirgisischem Boden auf. Verkehr ist an diesem Abend nicht mehr zu erwarten und so macht es mir nichts aus, dass mein Zelt von der Straße sichtbar ist – zumal es schon fast völlig dunkel ist.

Nach einer kühlen Nacht erreiche ich am Vormittag die kirgisische Station. Trotzdem die Gültigkeitsdauer meines Visums eigentlich erst in zwei Tagen beginnt, erhalte ich problemlos den Einreisestempel. Sehr erfreut darüber setze ich meine Fahrt fort. Aufgrund der Sicherheitslage in Kirgisien entscheide ich mich für einen möglichst kurzen Aufenthalt im Land und wähle den zweitägigen direkten Weg nach China. Geprägt ist dieser kurze Reiseabschnitt von weiten, mit hohen Gebirgszügen umrandeten Tälern. Auf baumlosen, bis in die Ferne reichenden Wiesen haben Nomaden, von ihren Vieherden umgeben, ihre weißen Zelte aufgeschlagen. Auch chinesische Bauarbeiter haben sich hier mit mehreren temporär errichteten Lagern niedergelassen. Im Auftrag die Verbindungsstraße nach China, einst ein grauenhafter Schotterweg, zu einer gut befahrbaren Schnellstraße umzubauen, ist hier ein gigantischer chinesischer Maschinen- und Fuhrpark eingetroffen. Mit Freude genieße ich die ersten schon fertiggestellten, fantastisch zu befahrenden Strassenkilometer. Gerade nach einer so langen Zeit auf tadschikischen Schotterpisten ist diese Fahrt ein Hochgenuss und steigert meine Vorfreude auf die chinesischen Ingenieurskünste noch weiter.
Nach zwei Tagen auf dem Rad erreiche ich die kirgisisch/chinesische Grenze. Hier hat ein verheerendes Erdbeben vor zwei Jahren, während ich mich unweit davon entfernt in Pakistan befunden hatte, mehrere Dörfer fast vollständig zerstört. Ein großes Mahnmal und die neu errichteten, nahezu identischen Häuser, angeordnet im Schachbrettmuster, erinnern an das Beben. Die beiden Grenzstationen passiere ich ebenfalls problemlos, auch wenn mein Kirgisienvisum und der unkorrekte Einreistestempel für einige verwunderte Nachfragen sorgen.

Ich erreiche also China. Nach den Strapazen der letzten Wochen fühle ich mich hier wie im siebten Himmel. Im Gegensatz zu den ehemaligen Sowjetstaaten ist die Infrastruktur hier perfekt ausgebaut. Straßen sind bestens asphaltiert und frei von Schlaglöchern. Großartiges Essen ist selbst in den kleinen Dörfern erhältlich. Geschäfte führen alle denkbaren Produkte und selbst kleine Ortschaften besitzen meist saubere und günstige Übernachtungsmöglichkeiten. Der Verkehr ist auch auf dem Land so stark, dass ich mich auf in regelmäßigen Abständen befindliche Truckstops mit Restaurants und Geschäften verlassen kann. Internetzugänge sind weit verbreitet und kabellose Verbindungen selbst in den günstigen Hotels Standard. Gepaart mit einzigartigen, oft atemberaubend schönen Landschaften macht all dieses China für mich zu einem fantastischen Land zum Radreisen.

Von Kashgar, der Stadt westlich der Taklamakanwüste, folge ich der südlichen Seidenstraße und begebe mich erneut für mehrere Wochen in die Wüste. Mittlerweile ist es Mitte Juli, also die heißeste Periode im Jahr. Anfangs habe ich bedenken, ob es während dieser Jahreszeit überhaupt möglich sein wird, diese Strecke mit dem Rad zu befahren. Zunächst ist das Wetter jedoch gnädig mit mir. Während den ersten Tagen schützt mich stets eine Wolken-, Dunst,- oder Staubglocke vor der sengend heißen Sonne. Kräftiger Rückenwind schiebt mich an und lässt mich 130 bis 200 Kilometern am Tag zurücklegen. Wahrscheinlich wirbelt der Wind hier so viele Partikel auf, dass die undefinierbare Schicht über mir eine Mixtur aus Sand, Staub und Wolken ist. Die Sicht beträgt hier manchmal nur wenige Hundert Meter. Nach einigen Tagen lässt der Wind jedoch leider nach oder dreht sich manchmal sogar gegen mich. Die schützende Schicht über mir löst sich langsam auf und die Temperaturen klettern höher und höher. Während der Mittagszeit ist Radfahren nun nicht mehr möglich. Ich messe die Höchsttemperatur bei 53 Grad Celsius. Flache Strecken kann ich bis ungefähr 43 oder 44 Grad Celsius fahren, darüber hinaus wird es kritisch. Ich bin also abends oft noch im Dunkeln unterwegs um weiterhin etwa 120 Kilometer am Tag zurückzulegen.

Mittags suche ich mir meist eine Brücke und döse im Schatten. An Schlaf ist bei der Hitze nicht zu denken. Hier bin ich sehr froh meinen Laptop nutzen zu können. Zur Mittagsrast schaue ich mir oft einen oder zwei Filme an und vertreibe mir so die Zeit bis es wieder kühler wird. Das Wetter scheint hier im Juli sehr instabil zu sein und so gerate ich immer wieder in Stürme und Gewitter. Auch muss es in den Bergen südlich von mir heftig geregnet haben, denn große Wassermassen fließen von dort gen Tarimbecken (wo sie versickern werden). Die Straße befindet sich meist auf einem etwa einen Meter hohen Damm mit zahlreichen Brücken als Durchlass. Trotz dieser Durchlässe steht das Wasser jedoch manchmal rechts von mir bis zu einem halben Meter hoch. An einem Tag überfluten die Wassermassen sogar den Damm und spülen an einer Stelle die Straße auf etwa zwei Metern Breite hinweg. Der Verkehr ist unterbrochen und es kommt zu einem großen Stau. Einige Stunden vergehen hier, bis chinesische Spezialkräfte eine Behelfsbrücke errichten. Scheinbar ist das Alles etwas ungewöhnlich für diese Region, denn mittlerweile sind auch Kamerateams und Fotografen eingetroffen. Die lokale Polizei ist natürlich auch vor Ort. Anfangs habe ich noch gedacht ich könne die Wassermassen vielleicht links oder rechts der Straße zu Fuß durchwaten. Schließlich habe ich das oft genug in Tadschikistan getan. Doch hier soll ich eines Besseren belehrt werden. Ich versuche die Tiefe des Wasserstroms neben der Durchflutungsstelle zu ermitteln. Langsam lasse ich rücklings einen Fuß hinab in das Wasser, um zu fühlen auf welcher Höhe sich der Grund in etwa befindet. Doch schon auf Kniehöhe ist die Strömung so stark, dass sie einfach mein ganzen Bein und schließlich mich selbst in Sekundenschnelle in die Schlammassen zieht. Der Strom hat so viel Kraft, dass ich keine Möglichkeit habe mich am Rand festzuhalten. Ich werde 15 Meter weit fortgespült, bis ich an einem Baum halt finde und hier am Rand hinausklettern kann. Über und über bin ich bis zur Unterwäsche mit feinstem Lehm und Schlamm überzogen, was etwas unangenehm ist. Den Wasserstrom zu durchwaten ist also unmöglich und ich muss mich gedulden. Die Zeit nutze ich, um an einer etwas seichteren und klareren Stelle den ganzen Schlamm so weit wie möglich fortzuwaschen. Die Nässe ist kein Problem, denn es sind sicherlich über 40 Grad im Schatten.

Es gibt hier zwar einige Schatten spendende Büsche und kleine Bäume, doch ein Versuch unter diesen Schutz vor der Sonne zu suchen endete mit einer noch nie vorher von mir in dieser Form beobachteten Attacke von Zecken. Eine Vielzahl von diesen hier etwa doppelt so großen, hellbraun gefärbten Tieren lauert im Schatten und stürzt sich, scheinbar durch die Vibrationen alarmiert, unmittelbar auf meine Schuhe. Noch nie zuvor habe ich so schnell krabbelnde Zecken gesehen. Manche haben sich bereits in meinen Socken verbissen und nur mit Mühe werde ich diese Parasiten wieder los. Ich suche also lieber Schutz im Schatten der wartenden Lastwagen.

…eine Fortsetzung folgt bald.

Grüße
Jens

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