Aufgrund der Sicherheitslage und auch aus Zeitgründen reise ich mit Bus und Bahn von der iranischen Grenze bis nach Islamabad. Besonders in der Wüste zwischen Zahedan und Quetta wird viel geschmuggelt (vornehmlich Waffen und Drogen), da sollte man nicht zur falschen Zeit am falschen Ort sein. Andere Reisende berichteten, sie hätten durchgängig eine Polizeieskorte auf dem Weg bekommen. Darauf hatte ich ebensowenig Lust. Also fuhr ich mit dem Bus bis Quetta, verweilte in der Stadt ein paar Nächte und kaufte mir dort ein Zugticket nach Islamabad. Mein Fahrrad musste ich als Frachtstück aufgeben und bekam einen riesen Schreck, als es nicht zeitgleich mit mir ankam. Ungefähr zwei Tage später bekam ich dann zu meiner enormen Erleichterung einen freundlichen Anruf in gebrochenem Englisch, ich könne zum Bahnhof kommen, das Rad sei da! Die Reise konnte also weitergehen.
Puh! Der Verkehr war gewöhungsbedürftig, nicht nur wegen des Linksverkehrs!
Soldaten und AK47 Gewehre waren hier allgegenwärtig – nicht ohne Grund. Der verheerende Anschlag auf das Mariott Hotel in Islamabad geschah genau während meines Aufenthalts in der Stadt. Ich musste hier das China Visum beantragen und relativ lange auf die Ausstellung warten (knapp 14 Tage). Natürlich hatte ich kein Geld für ein teures Hotel und quartierte mich auf dem städtischen Campingplatz Islamabad ein – für umgerechnet 50 Cent pro Tag. Ich hatte die Nachrichten zu Pakistan in den Monaten zuvor ziemlich genau im Auge behalten und festgestellt, dass sich Anschläge fast ausschließlich gegen Sicherheitskräfte oder Politiker richteten. Daher fühlte ich mich als unbedeutender Tourist relativ sicher und vermutete, der Campingplatz wäre kein Anschlagsziel. Außerdem achtete ich darauf, dass ich ausschließlich durch Gebiete reise, die vom pakistanischen Militär kontrolliert wurden. „Don’t go to Peshawar!“ wurde ich mehrmals eindringlich gewarnt… Außerdem versuchte ich, so wenig wie möglich Aufmerksamkeit zu erregen, daher gibt es kaum Fotos aus Islamabad. Den Anschlagsort wollte ich mir dann aber doch anschauen, er lag nicht besonders weit entfernt vom Campingplatz. Die Druckwelle hatte wirklich große Zerstörung angerichtet. Oben im Bild ein Nachbargebäude des Hotels.
Insgesamt verloren 54 Menschen ihr Leben beim Anschlag – und wahrscheinlich wurden viele weitere für ihr Leben lang von bleibenden Verletzungen und Traumata gezeichnet. Wenn ihr Zero Dark Thirty gesehen habt, ein Film über die Ergreifung Osama Bin Ladens, werdet ihr euch erinnern, dass der Anschlag auch im Film vorkommt. Hier findet ihr weitere Infos: https://en.wikipedia.org/wiki/Islamabad_Marriott_Hotel_bombing

Hier ein paar Luftaufnahmen, die ich im Netz gefunden habe. Vorn das Hotel, dahinter das Gebäude, dass ihr auf meinem Foto gesehen habt
Hier ist auch der oben zu sehende, völlig zerstörte Geländewagen erkennbar
Der Krater war ca. 6 Meter tief – ein bis oben mit Sprengstoff beladener Lkw wurde für den Anschlag genutzt
Die Explosion war in der gesamten Stadt zu hören, ich selbst bekam allerdings erst etwas später am Abend davon etwas mit, da ich einen Ausflug ins Umland gemacht hatte, um mir die lange Wartezeit auf das Chinavisum zu verkürzen
Hier seht ihr mich auf dem Campingplatz in Islamabad
Ich musste stets alles Essen selbst kochen, da die hygienischen Bedingungen wahrscheinlich mit die schlechtesten auf der gesamten Welt waren. Alle Reisenden hatten mehr oder wenig viel Durchfall, mich eingeschlossen. man sagt, 99 von 100 Reisenden werden krank. Irgendwann ging ich dazu über, nur noch Nudeln zu kochen. Selbst zum Frühstück – denn sogar im Hafer fand ich allerlei Käfer, es war zum verrückt werden!
Hier seht ihr Ben, der mit seinem Fahrrad genau in die andere Richtung unterwegs war. Welch Zufall! Ich wartete auf mein China-Visum und Ben beantragte sein Iran-Visum, was ungefähr genau so lang dauerte. Tagelang vertrieben wir uns also gemeinsam die Zeit – was bei der allgemeinen Terrorgefahr und dem ungenießbaren Essen nicht so leicht war. Wir fuhren viel mit dem Rad durch die Gegend, tranken Nescafe, und tauschten Reisegeschichten aus.

Ein paar Monate später hatte Ben einen Unfall mit einem Pkw-Fahrer in der Türkei. Er musste (zum Glück nur leicht!) verletzt ins Krankenhaus, sein Fahrrad war aber leider völlig zerstört. Da ich schon in Pakistan zu Ben meinte, falls er mal nach Berlin kommt, soll er unbedingt vorbei schauen, machte er sich per Anhalter und Rucksack – nun ohne Fahrrad – auf den Weg. Im Frühjahr 2009 – ich war schon wieder zurück in Deutschland – klingelte es an meiner Tür. Ben war da – und er sollte mehrere Monate bleiben. Ich baute ihm ein kleines Gästebett oberhalb unseres WG-Flurs… Irgendwann zog Ben weiter gen Groß-Britannien, zu Verwandten, besorgte sich ein neues Fahrrad und bereiste anschließend mit seinem Rad die gesamte Küste Afrikas. Das verrückte: Eigentlich wollte er nur zwei Wochen in Australien Radfahren – dann ereignete sich ein persönlicher Schicksalsschlag, und aus zwei Wochen wurden Jahre…


Hier gehts weiter zum nächsten Teil – die Überquerung des Himalaya-Gebirges auf dem Karakorum Highway – von Pakistan nach China:

https://www.indiatrek.de/reisen/fotos-2008/

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